Guten Tag, Herr Gali. Gerade ist Ihr neues Buch „Mondmund und Berggeist“ erschienen,
indem auch Bilder aus unserer Klasse abgebildet sind.
Schriftsteller ist ein interessanter Beruf.
Wie sind Sie zum Schriftsteller geworden?
Das ist ein sehr langer Weg. Angefangen hat es damit, dass ich so in Deinem Alter wahnsinnig viel gelesen habe. Pro Woche vier Bücher, aber das waren Bücher für Erwachsene. Das hat natürlich lauter Fantasie hervorgerufen. Das ist wie, wenn man in Welten eintaucht, die man nicht kennt. Später, das war auch noch als Schüler, habe ich angefangen, Gedichte zu schreiben. Noch später habe ich eine erste Geschichte geschrieben. Ich erfand dafür einen Jungen, der in eine Badeanstalt ging und dort von einem Turm springen wollte, um dem Mädchen zu imponieren, das er haben wollte. Die Geschichte war so richtig schön schlüssig und alle konnten darüber lachen. Wenn man dann merkt, das macht anderen auch Spaß, dann geht es los: Du wirst es nicht los. Du fängst als Schüler an und schreibst dann immer.
Wie kommen Sie zu Ideen?
Ideen liegen überall. Du musst nur immer aufmerksam sein und mitdenken, mitfühlen. Wenn Du jemanden erlebst, der ein Problem hat, musst Du Dir vorstellen, wie Du selber reagieren würdest. Das bringt dann eine Idee, auch wenn später etwas Utopisches dabei raus kommt. Die Welt, die weit weg scheint, ist ja nicht weit weg. Wenn Du mal meine anderen Bücher liest, wirst Du merken, dass ist die Menschenwelt.
Was für ein Schreibtyp sind
Sie?
Also schreiben Sie immer wieder mal, immer pünktlich oder eher viele Seiten am Stück?
Ich bin einer, der gierig ist, schreiben zu können. Da geht es als Erstes darum, die Idee zu einer Geschichte zu machen. Ich schreibe manchmal sehr viele Seiten am Stück, von denen meist nicht viel übrig bleibt. Meine Personen handeln, erleben etwas. Wenn eine Tür aufgeht, dann muss da etwas dahinter sein. Manchmal weiß ich auch vorher nicht, was hinter der Tür ist. Der Mensch, der die Tür gerade aufmacht, erlebt einen Schreck. Ich erlebe den selben Schreck. Aha, so geht das. Ich bin wütend über die Zeit, die ich nicht schreiben kann. Am liebsten würde ich immer schreiben.
Kennen Sie am Anfang der Geschichte schon das Ende?
Das klingt jetzt seltsam, nachdem, was ich gerade beschrieben habe: meistens weiß ich vorher, wohin es gehen soll. Aber dadurch, dass im Laufe der Geschichte noch neue Personen auftauchen, an die ich vorher noch nicht gedacht hatte, läuft die Handlung doch etwas anders. Dann kommt am Ende doch etwas anderes raus, als das, was ich im Voraus gewollt hatte. Das ist immer spannend.
Was ist Ihr liebstes Kinderbuch, also zu Ihrer Zeit als Kind?
Zu meiner Zeit als Kind habe ich kaum Kinderbücher gelesen. Vielleicht auch gar keine.
Oh!
Ich habe etwa in der 5. Klasse Balzac gelesen, ein französischer Autor, der richtige Wälzer geschrieben hat. Viele französische Autoren habe ich damals gelesen. Als Kind kamen mir Kinderbücher zu kindisch vor. Die habe ich erst angefangen zu gelesen, als ich längst erwachsen war. Ich habe überlegt, ich müsste ja auch mal Kinderbücher lesen, wenn ich selbst welche schreiben möchte.
Wo und wie schreiben Sie Ihre Geschichten?
Im Wesentlichen am Computer.
Haben Sie auch immer ein Buch dabei,
indem Sie Ideen notieren?
Zum Beispiel, wenn Ihnen etwas auffällt, ein Baum mit einer Frucht oder so was?
Das ist eine gemeine Frage (lacht). Ich nehme mir das immer vor. Aber meistens passiert es mir gerade dann, wie Du so schön sagst, wenn ich den Baum sehe, an dem mir etwas auffällt, dass ich kein Buch dabei habe. Dann gebe ich mir ganz große Mühe und es gelingt mir manchmal und manchmal nicht, dieses Bild festzuhalten. Das ist genau so, wie wenn Du Dich schlafen legst und während Du einschläfst, denkst Du über den vergangenen Tag nach: Das habe ich gut gemacht gemacht, das möchte ich anders machen. Und Du nimmst Dir vor: „Das will ich mir alles merken“. Und am nächsten Morgen hast Du vielleicht noch ein Stück davon behalten. Das andere ist noch ganz allgemein vorhanden, fällt Dir aber nicht sofort ein, sondern vielleicht erst später. Wirklichkeit ist vielschichtig. Es gibt nicht nur einen Baum. Guck da raus, es gibt viele Bäume. Welcher interessiert Dich am meisten? Es würde mich jetzt der Baum interessieren, der sich so ein bisschen anlehnt. Wie ein kleiner Mann, der zu einer großen Frau aufsieht.
Recherchieren Sie für Ihre Geschichten oder ist alles ausgedacht?
Du kannst nicht alles ausdenken. Der Weg durch die Wirklichkeit ist ständiges Recherchieren. Manchmal gehören zum Beispiel auch technische Details dazu, die muss man nachlesen. Bei utopischen Romanen muss man immer darauf achten, ob die Idee, die jemand anderer gehabt hat, überhaupt noch aktuell ist. Es muss zu dem Zeitpunkt, an dem ein Buch veröffentlicht wird, alles das, was beschrieben wird, möglich sein.
Was für Texte schreiben Sie außer Märchen?
Vielleicht schreibe ich am liebsten Romane. Da kann ich mich so richtig auslassen. Bisher habe ich aber noch keinen richtig langen Wälzer geschrieben. Nur solche, die man auch durchlesen kann. Manchmal macht es auch Spaß, eine Idee in ein Märchen zu verwandeln. Ich habe einmal mehrere Jahre in einem Blog jeden Tag ein Gedicht veröffentlich. Von diesen mehr als 1000 Gedichten sind natürlich 800 nicht ganz so gut gelungen. Sie eignen sich vielleicht als Vorarbeit für das nächste. Am meisten Spaß macht es mir aber, eine Welt zu entwickeln, die noch nicht fertig ist: da fehlt noch was. So kannst Du nicht aufhören. Der, den Du da gerade in ein Abenteuer geschickt hast, der ist am Ende an einem Punkt, an dem er sagt: „Das kann noch nicht das Ende sein.“ Dann arbeitet es in Dir und Du schreibst sofort weiter.
Danke schön, das waren meine Fragen.
Das Interview führte Ceytan Abtmeier, die Fotos stammen von Stefan Abtmeyer: